In den letzten zwei Jahren sind mit der Freiligrathstraße 5, der Dieffenbachstraße 69, der Schönhauser Allee 135/135a, der Choriner Straße 12 - alle in Berlin - und der Rahnsdorfer Straße 27 in Schöneiche bei Berlin fünf neue Projekte mit über 100 Wohnungen und ca. 6 Gewerbeeinheiten Teil unserer Genossenschaft geworden. Im Jahr 2022 werden wir unsere website überarbeiten. Danach werden Sie hier mehr über die Häuser und die Menschen erfahren. 


 
Liebigstraße 15 in Berlin-Friedrichshain: 9 Wohnungen Nutzfläche 850 m²


 

 
Das um 1900 errichtete Gebäude Liebigstraße 15, im Friedrichshainer Nord-Kiez am Frankfurter Tor gelegen, hat neun Wohnungen mit  834 m² Nutzfläche. Wie  viele in dem vom DDR-Regime vollkommen vernachlässigten Gründerzeitviertel war das Haus in einem sehr maroden Zustand, die allermeisten Bewohner hatten spätestens die Zeit nach dem Mauerfall genutzt, sich anderswo eine intakte Wohnung zu suchen. Das Haus stand leer, seine Zukunft war ungewiss. In dieser Situation wurde es im Juni 1990 durch eine Gruppe von Aktivisten besetzt, eine der vielen Hausbesetzungen in der Zeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung.
 
Das Haus ist im Vergleich mit den meisten anderen Gebäuden gleichen Baualters klein. Es hat ein Vorderhaus mit fünf Etagen  und einen Seitenflügelstummel ohne eigenes Treppenhaus. Diese räumliche Enge bewirkte über all die Jahre hinweg eine große Nähe zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern. Politische Auseinandersetzungen, Streits über die Regeln des Zusammenlebens und Fluktuationen gehörten zum Leben im Haus. Am Ende stand aber - anders als in anderen besetzten Häusern - immer ein Konsens. Die Größe des Hauses machte Untergruppenbildungen einfach nicht möglich.
 
1991 konnten wir mit der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) einen Rahmenvertrag und Einzelmietverträge abschließen. Die WBF sah sich dazu legitimiert, weil für unser Haus zum damaligen Zeitpunkt keine konkreten Rückübertragungsansprüche von Alteigentümern vorlagen.

 

Das Allernotwendigste wurde repariert und das normale Leben hielt Einzug. 1992 wurde das erste Kind im Haus geboren, die Wohnstrukturen entwickelten sich hin zu einem halbwegs entspannten Wohngemeinschafts- und Familienleben.
Mitte der 90er-Jahre teilte uns die WBF mit, dass sich die Liebigstraße 15 in der Rückübertragung befinde und wohl bald einen neuen Eigentümer habe. Ab diesem Zeitpunkt setzte mehr oder weniger eine Funkstille zwischen uns und der WBF ein, kleinere Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten wurden nur noch von uns ausgeführt, weil die WBF alle Belange des Hauses und seiner Bewohner mit dem Argument der "Rückübertragung" ignorierte. Dies führte auch zu einer Zäsur in der Hausgemeinschaft, einige Leute zogen aus, weil sie mit der ungewissen Situation und fehlenden Perspektiven für das Haus nicht mehr klar kamen.
Im Jahr 2002 spitzte sich die Situation weiter zu, weil das gesamte Haus inzwischen einer grundsätzlichen Sanierung bedurfte und die Wohnqualität zusehends nachließ. Zur Überraschung aller hieß es nun plötzlich seitens der WBF, ein Rückübertragungsverfahren würde nicht mehr existieren und das Haus gehe in den Bestand der WBF über. Man beabsichtige nun, es zu verkaufen.
 

 
Damit begannen sich die Ereignisse zu überschlagen. Erste Kontaktaufnahmen mit anderen Wohnungsbaugenossenschaften waren eher frustrierend, entweder weil die Chemie zwischen uns Bewohnern und den "Genossen" nicht stimmte oder weil die Vorgaben seitens der von uns angesprochenen Genossenschaften für ein bauliches Selbsthilfe-Projekt nicht kompatibel mit unseren Vorstellungen, Lebens- und Arbeitssituationen waren.
Eine glückliche Fügung für uns war, dass wir als eines der letzten Projekte in das öffentliche Förderprogramm "Wohnungspoltische Selbsthilfe" hineinrutschten, das die Finanzierung einer umfassenden Instandsetzung und Modernisierung gewährleistete. Es blieben uns aber nur wenige Wochen Zeit, einen Sanierungsbeauftragten und einen Käufer für unser Haus zu finden. Wir wollten und konnten keine Eigentümer werden. Über Umwege landeten wir beim Sanierungsbeauftragten I.B.I.S, wo uns eine Kontaktaufnahme zur "Bremer Höhe" eG empfohlen wurde.
 
Was dann folgte, war wirklich rasant: Nach einem ersten Telefonat mit dem Vorstand der "Bremer Höhe" eG, Ulf Heitmann, persönlichem Kennenlernen und einer Hausbesichtigung wurde innerhalb kürzester Zeit die Liebigstaße 15 gekauft und zum neuen Haus der Genossenschaft, dem ersten jenseits des "Mutterschiffes" im Prenzlauer Berg. Mit demselben Tempo ging dann auch die Sanierung über die Bühne, wobei der von der "Bremer Höhe"  eG vorgeschlagene Sanierungsweg (das Haus "leer" zu sanieren, die Bewohner kümmern sich im Rahmen ihrer Selbsthilfe lediglich vorab um Abriss- und am Ende um Schönheitsarbeiten wie Malern, Treppenhaus- und Hofgestaltung) im Nachhinein betrachtet genau die richtige Vorgehensweise war. Die Befürchtungen der Bewohner, durch diese Art der Sanierung die Kontrolle über die individuelle Raumaufteilung und Gestaltung der Wohnungen zu verlieren, erwiesen sich als unbegründet. In einer guten Zusammenarbeit zwischen der "Bremer Höhe" eG, dem Architektenbüro Dickopf und Walter und uns ließen sich nahezu alle Vorstellungen im Rahmen des Machbaren und Finanzierbaren umsetzen. Mit der "Bremer Höhe" eG haben wir einen sog. Selbstverwaltungsvertrag abgeschlossen, in dem die Miete von 3,70 ¤/m² zzgl. BK auf sieben Jahre festgelegt war und uns steht dauerhaft das Belegungsrecht für evtl. frei werdende Wohnungen zu. Das sichert unser selbstbestimmtes Wohnen in frei gewählten Nachbarschaften. Seit 2011 zahlen wir BewohnerInnen einen freiwilligen monatlichen Beitrag von 15 ct/m² als Soli-Zuschlag für neue Projekte.
 
Im Zuge der Sanierung änderte sich die Bewohnerstruktur etwas. Einige Bewohner waren zur Zwischenumsetzung in der "Bremer Höhe" gelandet, einer davon blieb im Prenzlauer Berg wohnen. Andere wollten in keinem sanierten Haus wohnen oder Mitglied einer Genossenschaft werden. Im Sommer 2004 zogen wir nach ca. 9 Monaten Bauzeit zurück in die Liebigstraße 15. Die seither wegzogen, taten das aus familiären Gründen. Der überwiegende Teil der Bewohner ist im kreativen Medienbereich tätig, von der Filmausstatterin bis hin zum Computerprogrammierer.
 
Das gemeinschaftliche Erleben der Bauphase und der Vorzüge eines individuellen Wohnens haben dazu geführt, dass die Hausgemeinschaft immer noch sehr lebendig ist und mehr als nur schlichte Nachbarschaft pflegt.
 
Von daher ist es wohl auch kein Zufall, dass es in den neun Wohnungen neben 13 Erwachsenen und 2 "Halbstarken" inzwischen vier kleinere Kinder im Alter bis zu 10 Jahren gibt, von denen drei im Haus geboren wurden. Für die nächste Bewohner-Generation ist also schon gesorgt.
 
Isa, Bewohnerin der Liebig 15

 


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