Eine Mietergründung in Prenzlauer Berg

Foto: Christian von Steffelin
Auf der Bewohnerversammlung im November 1999 diskutieren in der Aula der Thomas-Mann-Schule in Berlin-Prenzlauer Berg 350 Mieter mit Vertretern anderer Genossenschaften, der Wohnungsbaugesellschaft WiP und des Bezirksamts.

Ende Oktober 1999 erreichte die Mieter der Wohnanlage Bremer Höhe im Prenzlauer Berg die überraschende Ankündigung der Wohnungsbaugesellschaft WiP, dass ihre Wohnungen noch im selben Jahr verkauft werden sollen. Auf einer ersten Mieterversammlung am 17.11.1999 forderten 350 Mieter einen Verkaufsstopp. Sie verlangten von dem städtischen Unternehmen Zeit, um ein eigenes genossenschaftliches Kauf-, Sanierungs- und Finanzierungskonzept vorzulegen.
Trotz anders lautender, öffentlich geäußerter Zusicherung verkaufte die WiP am 17.12.1999 die Bremer Höhe. Sie behielt sich jedoch ein Rücktrittsrecht für den Fall vor, dass die Mieter bis zum 30.04.2000 sich in einer eingetragenen Genossenschaft organisierten sowie ein Sanierungs- und Finanzierungskonzept vorlegen. Am 27.01.2000 gründeten 51 Bewohner und Unterstützer die Genossenschaft "Bremer Höhe" eG. Mit großer politischer Unterstützung gelang das Unmögliche. Das Wettrennen mit der Zeit wurde gewonnen. Nach fiebriger Arbeit und hunderten Gesprächen wurde die Genossenschaft zum 01.05.2000 anstelle des privaten Investors Eigentümerin der 21 Grundstücke und 49 Häuser. Dieses Vorhaben gelang, weil alle Akteure an einem Strang zogen. Die "Bremer Höhe" eG wurde zum Modellfall für weitere Genossenschaftsgründungen und -finanzierungen. Mit dem Erwerb übernahm die Genossenschaft auch eine Sanierungspflicht. Die solide Bauweise des zwischen 1870 und 1913 errichteten denkmalgeschützten Ensembles bildete dafür eine gute Basis.
 

Foto: Christian von Steffelin
Gründungsversammlung der Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe" e.G. im Gemeindesaal der Eliasgemeinde, Berlin-Prenzlauer Berg. Am Mikrofon Frau Fechner (ᵻ) von der Gründungsinitiative.

 

Die Lage im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz gewährte eine objektive Betreuung aller Mieter und Mitglieder durch die eigentümerunabhängige Mieterberatung. Viele Grundriss- und Ausstattungswünsche der Wohnungsnutzer konnten berücksichtigt werden. Das Bauvorhaben wurde in drei Bauabschnitten von Anfang 2001 bis Ende 2003 erfolgreich durchgeführt. Zeit- und Kostenrahmen wurden genau eingehalten. Denkmalpflegerische, ökologische und soziale Aspekte der Sanierung wurden berücksichtigt. Heute sind alle Wohnungen in einem modernen Zustand. Die Energieverbräuche sind etwa nur halb so hoch, wie in anderen sanierten Altbauten. Die Mieten liegen dauerhaft maximal in Höhe des Mittelwerts des Berliner Mietspiegels.  
Der vor Sanierung vorhandene sehr hohe Leerstand (130 von damals 521 Wohnungen) bot die Möglichkeit, viele Bewohner während der Sanierung im eigenen Bestand umzusetzen. Während der Sanierung wurden dann ca. 120 Wohnungen zusammengelegt, damit auch Familien mit Kindern versorgt werden können. Aus den 521 Wohnungen wurden 460. Auch 22 altengerechte und behindertenfreundliche Wohnungen wurden hergerichtet. Mit den gemeinsam gestalteten Höfen wurde Raum für vielfältige gemeinschaftliche Nutzungen geschaffen.


 

Die „Bremer Höhe“ eG wird zum Dach für weitere Projekte

Schon im Jahr 2003 setzte die WBG "Bremer Höhe" eG ihr Engagement für von Bewohnern getragene Vorhaben fort und erwarb das ehemals besetzte Haus  Liebigstraße 15 in Berlin-Friedrichshain, quasi im Auftrag seiner Bewohnerinnen. Dies löste einen Diskussionsprozess unter den Mitgliedern über das zukünftige Selbstverständnis ihrer Genossenschaft aus: sollten die Mitglieder es sich im nunmehr gemachten Nest gemütlich (und sicher) machen, oder sollten sie ihr Know-how und ihre Ressourcen weiteren Projekten zu Gute kommen lassen, womit zweifelsohne auch weitere Risiken verbunden sind?
Angesichts eines immer teurer werdenden innerstädtischen Wohnungsmarktes und der Aufgabe jeglicher wohnungspolitscher Steuerung durch die rot-rote Koalition in den Nuller Jahren entschied sich eine große Mehrheit der Genossenschaftsmitglieder für die Strategie, genossenschaftliches Dach für neue Wohnprojekte sein zu wollen. Dies wurde einer der Kernpunkte des 2008 beschlossenen Strategiepapiers.

Auf der Grundlage dieses Ziels  erwarb die Genossenschaft weitere Objekte: 2004 eine Wohnanlage in Berlin- Lichtenberg (Bornitz-/Ruschestraße), 2006 ein Hausprojekt in Berlin-Schöneberg (Katzlerstraße 13). 2008 kaufte sie das Grundstück einer Wagenburg in Friedrichshain. 2009 kamen das ehemalige Stadtgut Hobrechtsfelde in Panketal und 2013 das soziale Wohn- und Kulturprojekt Georg-von-Rauch-Haus in Kreuzberg hinzu. 2015 konnte die WBG „Bremer Höhe“ eG mit dem historischen „Männersiechenhaus“, einem denkmalgeschützten Gewerbeobjekt in der Schönhauser Allee 59, das noch fehlende Glied im Ensemble der Bremer Höhe hinzuerwerben und mit diesem ältesten Gebäude ihren Bestand in Prenzlauer Berg vervollständigen. Informationen zu den einzelnen Projekten finden sich unter Bestände.

Blick in die Gneiststraße. Noch stärker als hier beeinträchtigen die abgeschlagenen Balkone in der Pappelallee und Greifenhagener Straße das Erscheinungsbild des Ensembles.


Die Genossenschaft heute

Der Bestand der Genossenschaft ist so seit ihrer Gründung und der Übernahme des Ensembles Bremer Höhe von 470 Wohn- und Gewerbeeinheiten auf 700 angewachsen. Heute sind die wirtschaftlich sinnvolle Erweiterung, gegebenenfalls auch durch Neubau, sowie die Fortsetzung des genossenschaftlichen Engagements erklärte Ziele der WBG "Bremer Höhe" eG.
Neben dem Wohnen und Bauen hat sich die Genossenschaft intensiv dem nachbarschaftlichen Leben und den gemeinschaftlichen Initiativen ihrer Mitglieder gewidmet. Informationen zu der großen Bandbreite von Aktionen, Diskussionsgegenständen und Entwicklungen der Genossenschaft finden sich im alle drei Monate erscheinenden Infoblatt.


Weiterführende Informationen erhalten Sie in unserem Buch zur Geschichte der Bremer Höhe.

Die Bremer Höhe und ihre Bewohner. Die Sanierung wurde von zahlreichen Maßnahmen begleitet, die der Sicherung der Sozialstruktur dienten.